Lernkanäle

Die Haftwerte der Sinneswahrnehmung

Wer sein Gedächtnis optimal nutzen möchte, der sollte von Anfang an die effizienteste Methode zur langfristigen Speicherung wählen. Oft bedenkt man das nicht beim lernen, aber die Art, wie wir Informationen aufnehmen, beeinflusst unsere Merkfähigkeit. Wenn wir zum Beispiel einen Vortrag darüber hören, wie eine Kaffeemaschine bedient wird, dann hat das eine ganz andere Wirksamkeit als wenn wir sie in die Hand nehmen selber alle Funktionen ausprobieren. Der Zeitaufwand ist der gleiche, aber die Erinnerung wird im zweiten Fall wesentlich länger vorhanden sein.

Übersicht der verschiedenen Lernkanäle

In der Gedächtnisforschung gibt es eine Übersicht zu den „Haftwerten der Sinneswahrnehmung“. Sie zeigt an, über welchen Kanal wir uns wie viel von den dargebotenen Informationen merken können. Die Prozentwerte darf man natürlich nicht ganz genau für bare Münze nehmen, individuelle Unterschiede gibt es immer. Sie bieten aber einen guten Näherungswert und liefern wertvolle Erkenntnisse fürs Lernen.

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Bild: Die Haftwerte der Sinneswahrnehmung (Quelle: Ausbildungsunterlagen des Bundesverbandes für Gedächtnistraining – BVGT)

10% – Lesen

An unterster Stelle rangiert das Lesen. Man liest ein Buch oder eine Fachzeitschrift und langfristig bleiben von den Inhalten 10% „Rest“-Erinnerung erhalten. Obwohl wir in der Schule und im Studium das meiste Wissen über Büchern erwerben, ist Lesen allein eine relativ ineffiziente Methode.

20% Hören

Mit 20% schon deutlich wirksamer ist das Hören. Einen Vortrag zu einem Thema zu besuchen bleibt noch besser im Gedächtnis als sich etwas durchzulesen. Ebenso eine Radiosendung – sie bleibt besser im Kopf als ein Artikel aus der Zeitung.

30% Sehen & Lesen

30% der Informationen bleiben in Erinnerung, wenn man sich zum Beispiel eine Präsentation ansieht (ohne Kommentare), wo Bilder und Texte gezeigt werden. Auch ein Lehrbuch mit guten Schaubildern erzielt eine positive Wirkung. Ein Bild sagt bekanntlich mehr als 1.000 Worte und so erhält das Gehirn eine ganz andere Qualität von Informationen durch das Sehen.

50% Sehen & Hören

Wird ein Vortrag oder eine Vorlesung durch visuelle Informationen angereichert, dann erzielt man damit bereits große Wirksamkeit. Hier erkennt man, dass eine Dokumentation im Fernsehen wirksamer ist als eine Sendung im Radio.

70% Sprechen

Sprechen bedeutet in diesem Zusammenhang so viel wie: einen Vortrag halten oder jemandem über ein Thema berichten. Wenn man etwas erzählen kann, dann muss man sich damit zwangsläufig auseinandersetzen und manchmal versteht man Zusammenhänge erst so wirklich, nachdem man sie laut ausgesprochen hat. Das fördert die Gedächtnisleistung, denn Zusammenhänge merken sich leichter als unstrukturierte Informationen.

90% Eigenes Tun

Ich hatte es in der Einleitung schon erwähnt. An einer Kaffeemaschine selber herumzuspielen bringt deutlich mehr, als sich die Anleitung durchzulesen oder ein Video dazu anzuschauen. Wenn man das Gerät selbst bedient hat, dann verlernt man das nicht so leicht, wie wenn man nur jemandem dabei zugesehen hat.
„Eigenes Tun“ funktioniert nicht nur für motorische Fähigkeiten. Möchte man sich Inhalte eines Buches merken, dann kann man die darin enthaltenen Szenen wie im Theater nachspielen. Damit erzielt man den gleichen Effekt und erreicht mit 90% die höchste Merkleistung unter allen anderen Methoden.

Tipps fürs Lernen

Das meiste Wissen erwerben wir in der Regel durch Bücher. Im Studium musste ich in manchen Fächern hunderte von Seiten durcharbeiten und das als Betriebswirt. Sozial- und Humanwissenschaftler haben das noch viel mehr zu stemmen.

Wer diese Erkenntnisse für sich nutzen will, der sollte den Lernstoff passend für die oben genannten Kanäle umwandeln. So nutzt man die Vorteile aller Methoden. Auch wenn es nach einem zeitlichen Mehraufwand aussieht, man spart sich dadurch beim Memorieren sehr viel Zeit und behält das Wissen deutlich länger.

Das können Sie tun:

  1. Machen Sie sich Notizen und Zusammenfassungen mit kleinen Bildern oder verwenden Sie ein Mindmap. Der kreative Prozess und die Visualisierung des Stoffes wirken sich positiv auf das Gedächtnis aus.
  2. Lesen Sie Ihre Bücher laut vor und nehmen Sie das Gelesene mit einer Voice-Recorder-App auf. Spielen Sie sich die Aufnahmen vor mit einem MP3-Player – während einer Autofahrt oder während Sie Spazieren gehen.
  3. Versuchen Sie auf Youtube einige Videos zu finden, die Ihr Thema behandeln. Mittlerweile findet man dort zu fast jedem Fachgebiet ein paar Sachen.
  4. Bitten Sie Freunde oder Ihren Partner Ihnen zuzuhören und sich von Ihnen etwas erklären zu lassen. Die Fragen der Zuhörer zeigen Ihnen die Schwachstellen und Verständnislücken in Ihrem Vortrag auf.
  5. Versuchen Sie die wichtigsten Informationen in Szenen umzuwandeln wie man sie im Theater sieht.

Ein Beispiel zum letzen Punkt: Pawlow konditionierte seine Hunde, indem er eine Glocke läutete wenn es Essen gab. Mit der Zeit verbanden die Hunde beide Reize miteinander. Irgendwann reichte das Klingeln der Glocke aus, um den Speichelfluss der Hunde zu aktivieren, ohne dass es Essen gab.

So eine Szene kann man zu Hause Problemlos mit einem Stofftier und einer kleinen Glocke nachstellen. Das kann sich zwar etwas befremdlich anfühlen, aber der Effekt für das Gedächtnis ist grandios. Entscheiden Sie daher selbst was Ihnen wichtiger ist: sich kurzzeitig lächerlich vorzukommen oder viel Zeit beim Lernen zu sparen 🙂