Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse Realkennzeichen

Merkmalsorientierte Inhaltsanalyse anhand von Realkennzeichen (Nach Steller und Köhnken, 1989). Lügen kann ein Mensch auf mehrere Arten: entweder er denkt sich Erlebnisse aus, die nie stattgefunden haben, er verwendet Erinnerungen an tatsächliche Erlebnisse, nur erzählt er sie anstatt der Wahrheit. Die dritte Möglichkeit ist das Lügen durch Verschwiegen von wichtigen Inhalten.

Die merkmalsorientierte Inhaltsanalyse anhand von Realkennzeichen ist eine Methode, die sich für die Aufdeckung von ausgedachten Lügengeschichten eignet. Der Grund dafür ist, dass wahre Erlebnisse viel mehr Impressionen und Eindrücke im Gedächtnis eines Menschen hinterlassen als ausgedachte. Bei echten Erinnerungen können viele Details wiedergegeben werden. Bei Phantasiekonstrukten kann das Gedächtnis nur auf Allgemeinwissen zurückgreifen. Dieser Umstand spiegelt sich darin wieder, wie eine befragte Person einen Sachverhalt wiedergibt – rein inhaltlich. Die Körpersprache wird vollständig außer Acht gelassen.

 

Die Liste der Realkennzeichen:

Allgemeine Merkmale

  • (1)Logische Konsistenz
  • (2) Ungeordnet sprunghafte Darstellung
  • (3) Quantitativer Detailreichtum

 

Spezielle Inhalte

  • (4) Raum-zeitliche Verknüpfungen
  • (5) Interaktionsschilderung
  • (6) Wiedergabe von Gesprächen
  • (7) Schilderung von Komplikationen im Handlungsverlauf

 

Inhaltliche Besonderheiten

  • (8) Schilderung ausgefallener Einzelheiten
  • (9) Schilderung nebensächlicher Einzelheiten
  • (10) Phänomengemäße Schilderung unverstandener Handlungselemente
  • (11) Indirekt handlungsbezogene Schilderungen
  • (12) Schilderung eigener psychischer Vorgänge
  • (13) Schilderung psychischer Vorgänge des Angeschuldigten

 

Motivations-bezogene Inhalte

  • (14) Spontane Verbesserungen der eigenen Aussage
  • (15) Eingeständnis von Erinnerungslücken
  • (16) Einwände gegen die Richtigkeit der eigenen Aussage
  • (17) Selbstbelastungen
  • (18) Entlastung des Angeschuldigten

 

Deliktspezifische Inhalte

  • (19) Deliktspezifische Aussageelemente

 

Die Liste wird nicht einfach abgearbeitet und dann entschieden, ob Lüge oder Wahrheit, nur weil jemand keine Dialoge oder bestimmte Details nicht erzählen konnte. Es sind noch weitere Prüfunden notwendig:

 

Abweichungen vom Normalzustand ermitteln

Menschen sind hinsichtlich ihrer Kommunikation und Ausdrucksfähigkeit sehr verschieden. Manche erzählen gerne ausführlich und detailreich, andere hingegen sind wortkarg und geben gerade so viel von sich, dass man ohne Nachfrage den Zusammenhang gar nicht verstehen könnte. In so einem Fall wäre gemäß den Maßstäben der Inhaltsanalyse nach Realkennzeichen vermutlich jedes Wort gelogen, welches derjenige von sich gibt.

Daher ist es wichtig auch andere Aussagen des Befragten einzuholen. Geeignet sind Fragen nach autobiografischen Erlebnissen und Situationen.

Beispiele:

  • Wann haben Sie Ihre Ausbildung abgeschlossen?
  • Wieso haben Sie diesen Beruf gewählt?
  • Wo war Ihr letzter Urlaub?
  • … usw.

Anschließend müssen die Aussagen zum Thema der Befragung und zu den biografischen Erlebnissen miteinander verglichen werden.