#sagjazudir – Blogparade – Fürchte den Menschen, der nichts zu verlieren hat

„Menschen haben keine Macht über uns, nur wir verleiehen sie ihnen“. – Mein Beitrag zur Blogpade: #sagjazudir

Oft existieren Ängste nur in unserem Kopf. Erst wenn man bereit war alles zu verlieren merkt man, dass man sich völlig umsonst hat runterziehen lassen.

 

Ausgangslage

Mein erster Job nach dem Studium war bei einer kleinen Firma. Ich habe nur unterschrieben, weil ich nichts anderes hatte. 2004 war Rezession und ich war froh überhaupt etwas zu haben. Die Leute waren cool, aber die Bezahlung mies. Also habe ich mich nach einem Jahr zu einem Konzern beworben.

Der Chef dort war ein kleines Arschloch. Ich 1,90 m er so ungefähr 1,60 m, vom Charakter eher so rattenmäßig. Er war mir von Anfang an unsympathisch, aber ich wollte das Geld. Relativ frisch vom Studium meinte ich, dass ich mich reinhängen muss. Lange Arbeitszeiten, unbezahlte Überstunden und dabei immer schön lächeln. Das Übliche eben.

Nach 6 Monaten das erste Beurteilungsgespräch – ist total mies gelaufen. Dieses passt nicht, jenes passt nicht, hier habe ich mir mehr erwartet, da habe ich mir mehr erwartet. Kurze Zeit später bekam ich einen Tinnitus. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Melde ich mich krank, dann verliere ich womöglich meinen Job. Tue ich es nicht, dann bleibt der Tinnitus vielleicht für immer?

 

Der innere Umbruch

Schwierig, schwierig. Zum Glück habe ich mich für Krankschreibung entschieden. Ich dachte mir, dass die langfristige Gesundheit immer Priorität haben muss vor der Arbeit. Denn wenn ich kaputt bin, holen die sich den nächsten Idioten und ich lande auf dem Sozialamt, so oder so. Daher Leute:

Gesundheit geht immer vor!!!

Eigentlich dürfte man darüber gar nicht lange nachdenken, aber der Mensch ist leider so. Er fühlt sich emotional verbunden mit dem, was er tut und ich hatte auch das Gefühl, dass ich meine Kollegen im Stich lasse, wenn ich länger ausfalle. Außerdem fürchten wir uns vor Dingen, die wenn sie eintreffen, gar nicht so schlimm sind.

Mal ehrlich – heute sage ich drauf geschissen. Es ist immer Aufgabe des Arbeitgebers für genügend Ersatz zu sorgen, wenn Leute ausfallen. Nicht mein Problem. Daher war ich vier Wochen weg, dann ging es mir wieder gut. Als ich zurück war, hatte ich den Beschluss gefasst, dass es mir total egal ist was passiert. Ich arbeite so, dass es mir gut geht und wenn es den Oberen nicht passt, dann können sie mich entlassen. Mein innerer Frieden mit einer bevorstehenden Kündigung hat mich total entspannt werden lassen.

Im nächsten Beurteilungsgespräch ging das gleiche Spiel los. „Das passt nicht, jenes passt nicht, hier habe ich mir mehr erwartet…“. Dieses Mal habe ich jedoch angefangen gegenzudrücken. Wie ein Vertriebler hatte ich mich vorher mit dem Thema der „Einwandbehandlung“ auseinandergesetzt und zerfetzte seine Kritik in kleine Stücke. Ich habe sehr forsch die Dinge so ausgesprochen, wie ich sie sah und immer Gegenbeispiele für seine Negativbeispiele vorgebracht. Darauf war die Chefetage nicht vorbereitet und diese Runde hatte ich gewonnen. Damit war erstmal Ruhe.

Ganze 2,5 Jahre lief dieses Spiel so weiter. Ich machte keine Überstunden mehr, sprach aus was ich dachte und es war mir total egal, ob ich entlassen werde. Und ich denke das hat es gebracht. Viele Menschen glauben in der Arbeit, dass sie nur 10 cm von einer Linie entfernt sind, bei deren Übertretung sie entlassen werden. Daher lassen sie sich stressen, machen sich kaputt und kriegen Burnout und Bluthochdruck usw. Dabei ist das oft ein Irrtum. Wenn man sich nur mal trauen würde, dann sieht man oft, dass man sich viel mehr erlauben könnte im Leben. Das gilt nicht nur für den Job.

Aber wenn die Leute merken, dass es einen egal ist und das man keine Angst hat seine Arbeit zu verlieren, dann verlieren sie ihre Macht über einen. Man kann die Arbeitnehmer immer damit erpressen, dass sie ihre Karriere vergessen können, wenn sie nicht gehorchen. Aber wenn jemand kein Interesse mehr an Karriere hat, dann ist das wichtigste Druckmittel weg.

Am Ende war mein Chef so genervt von mir, dass er um eine Aufhebung gebeten hat. Ich bekam eine Abfindung, durfte 3 Monate auf Firmenkosten zu Hause rumliegen. In den Jahren vorher haben ich Unmengen an Geld zurückgelegt und die meiste Zeit im Internet gesurft. Keiner hat es gemerkt, denn in Berufen, wo man die Produktivität nicht an Stückzahlen messen kann, ist es meist eh nur subjektive Gefühlssache, wie die Leute die Leistungen wahrnemen. Leute, die mit dem Chef gut sind werden auch als produktiv empfunden. Wer dagegen auf Kriegsfuß mit der Macht steht, der kann arbeiten so viel er/sie will. Die Leistungen werden immer als mangelhaft angesehen werden. Daher ist es echt egal, was man tut.

Das Ende vom Lied war, dass ich in der Zeit gutes Geld verdient hatte, eine ruhige Kugel schieben konnte und danach habe ich eine Arbeit gefunden, in der ich 50% mehr Gehalt rausgeholt habe. Im Ernst, das ist kein Schreibfehler. Es sind wirklich FÜNFZIG PROZENT.

Daher sage ich: Traut euch. Befreit euch von unnötigen Ängsten und probiert einfach mal die Grenzen aus. Oft, nicht immer, kneift auch mal die Gegenseite und ihr verbessert ohne viel Aufwand eure Position.